Von Zeit zu Zeit stolpert man über schwer zu verstehende Bibelverse. Matthäus 16,28 (bzw. Mk 9,1 und Lk 9,27 mit demselben Inhalt) ist so ein Bibelvers. Jesus sagt dort:
Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn kommen sehen in seinem Reich.
Das Problem: Wie meint Jesus das?
Siehst du das Problem in diesem Vers? Wir denken beim ersten Lesen: Den Tod schmecken heißt sterben. Die Jünger von Jesus sind doch aber bereits alle gestorben – wie sollen sie dann Jesus Wiederkunft sehen, die noch bevor steht?
Hat Jesus hier eine falsche Aussage gemacht? Oder gibt es ein anderes besseres Verständnis dieses Bibelverses? Denk zunächst selbst einmal darüber nach und versuche eine Lösung zu finden…
Lösungsansatz A: Die werden den Tod nicht schmecken
Ein möglicher Lösungsansatz ist das andere Verständnis der Worte „den Tod nicht schmecken“. Der Tod von dem Jesus hier spricht, wird dann mit dem zweiten / ewigen Tod identifiziert.
In diesem Sinne sagt Jesus dann: Einige von euch Jüngern werden nicht ewig verloren gehen…
Diese Deutung wird durch Verse wie Johannes 8,51-52 möglich. Dort spricht Jesus nicht vom leiblichen Tod:
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hält, der wird den Tod nicht sehen in Ewigkeit. Da sprachen die Juden zu ihm: Nun erkennen wir, daß du einen bösen Geist hast. Abraham ist gestorben und die Propheten, und du sprichst: Wer mein Wort hält, der wird den Tod nicht schmecken in Ewigkeit.
Doch in Matthäus 16,28 spricht das kleine Wörtchen „bis“ und damit die zweite Hälfte des Verses dagegen. „Einige von euch Jüngern werden nicht ewig verloren gehen, bis ihr mich wiederkommen seht.“ Das heißt, dann werden sie den ewigen Tod sterben? Das kann hier nicht gemeint sein.
Das heißt es muss um den leiblichen Tod gehen, der nach dem Sehen eintrifft… Aber von was?
Lösungsansatz B: den Menschensohn kommen sehen
Manche haben sich auf das „Reich“ bezogen und diese Verheißung ekklesiologisch verstanden. D.h. sie wurde durch das Pfingsterlebnis erfüllt.
In diesem Sinne sagt Jesus dann: Einige von euch Jüngern werden nicht sterben, bis sie sehen, wie ich mein Reich (durch die Gemeinde) auf dieser Welt anbreche.
Es ist ja richtig, dass die Gemeinde zum Reich Jesus gehört. Doch Jesus spricht hier eindeutig von sich selbst und nicht nur von dem Reich, das sie sehen werden. Aber Jesus wird hier wahrscheinlich nicht von seiner endzeitlichen Wiederkunft sprechen, da er ja selbst nicht weiß, wann der Zeitpunkt sein wird (Mt 24,36). Wie könnte er dann behaupten, dass manche Jünger sie erleben werden? Auch in Joh 21,22-23 gab es schon einmal das Missverständnis, dass die Jünger meinten, Jesus habe gemeint, dass der Jünger nicht sterben werde, bis er wiederkommt.
Wenn Jesus aber nicht von seiner endzeitlichen Wiederkunft spricht, wovon dann?
Lösungsansatz C: in seinem Reich
Der beste Lösungsansatz besteht im anderen Verständnis der Worte „in seinem Reich“. Das griechische Wort „basileia“ hat neben „Königreich / Herrschaftsgebiet“ auch die Bedeutungsmöglichkeit „königliche Macht/Pracht“.
In diesem Sinne sagt Jesus dann: Einige von euch Jüngern werden nicht sterben, bis sie mich mit meiner königlichen Macht gesehen haben. Diese Macht / Pracht sehen dann einige Jünger bei der Verklärung!
Für diese Auslegung sprechen folgende Argumente:
- Diese Auslegung ist natürlich, weil das Wort „basileia“ dieses Bedeutungsspektrum hat! Unser Auslegungsproblem entsteht also erst durch manche deutsche Übersetzungen, die mit „Reich“ übersetzen.
- Vorher (Mt 16,27) geht es um die Herrlichkeit des Vaters (wörtlich „in der Herrlichkeit seines Vaters“), in der der Menschensohn wiederkommen wird. Nun im Mt 16,28 spricht Jesus von seiner eigenen Pracht, die die Jünger vorher schon sehen dürfen!
- Alle Evangelien, die diese Verheißung beinhalten, berichten unmittelbar danach von Jesus Verklärung: Vgl. Mt 17,1-13; Mk 9,1-8; Lk 9,27-36. Das Auslegungsproblem wird erst durch die Kapiteleinteilung größer, die ja nicht ursprünglich ist.
- Matthäus enthält sonst selten Zeitangabe. Doch durch den nächsten Vers (Mt 17,1) wird bewusst die Verbindung zwischen der Verheißung und dem folgenden Ereignis hergestellt.
- Petrus (2Petr 1,16) und Johannes (Joh 1,14) beziehen sich auf diese Verklärung, bei der sie anwesend waren und bestätigen durch ihre Wortwahl diese Deutung.
Alles klar? Jesus hat seinen Jüngern sechs Tage vorher verheißen, dass einige von ihnen, seine königliche Macht / Pracht sehen würden – was dann bei der Verklärung geschah.
Hat dir das geholfen? Oder ist etwas unverständlich?