Ich habe mich darauf gefreut das Buch „Weiterglauben: Warum man einen großen Gott nicht klein denken kann“ von Thorsten Dietz zu lesen. Doch leider ist das Buch sehr enttäuschend und ich kann es nicht weiterempfehlen! Aber der Reihe nach…
Zunächst sei angemerkt, dass Thorsten Dietz ein unbeschriebenes Blatt für mich war und ich gespannt war ein Buch von einem Professor für Systematische Theologie an der Evangelischen Hochschule Tabor zu lesen! Ich habe mich verpflichtet eine Rezension zu schreiben und hier ist sie:
1. Der Inhalt von „Weiterglauben“
Im Vorwort des Buches beschreibt Dietz sein Anliegen Menschen zu helfen, wie sie heute noch weiter glauben können. Der Autor greift von vornherein die Beobachtung auf, dass es in der Christenheit zwei unterschiedliche Lager gibt, zwischen denen große Spannungen bestehen und die viele Christen verunsichern.
„Der Titel dieses Buches, Weiter glauben, markiert diese Spannung: Die einen sehnen sich nach mehr Weite im Glauben; andere empfinden solche Weite als Auflösung, sie wollen am Glauben weiter festhalten. „Weiter“ lässt sich temporal und lokal verstehen: lokal im Sinne von mehr Weite, Flucht aus der Enge, aber eben auch temporal, weiter im Sinne von weiterhin glauben, den Glauben nicht verlieren wollen. Dieses Buch handelt von der Frage, ob und wie beides gelingen kann.“ S. 15
„In diesem Buch werden Prozesse der Polarisierung untersucht und beschrieben mit der Absicht, die Brücken, die Übergänge und Verbindungstunnel zwischen den Lagern zu pflegen und zu stärken. Unterschiedliche Frömmigkeitsstile brauchen vielleicht einander zur Ergänzung, verschiedene Phasen des Glaubens können auch zeitversetzt nebeneinander bestehen, so manche notwendige Auseinandersetzung könnte verständnisvoller und gründlicher geführt werden.“ S. 11
Im ersten Kapitel wird das Anliegen des Buches zunächst noch klarer ausgeführt und ein Problem näher analysiert: Warum gibt es so starke Polarisierungen und welche Folgen hat das?
In den Kapiteln zwei bis neun werden dann verschiedene Themenfelder (häufig aufeinander aufbauend) angegangen:
- Kapitel 2: Wie wir von Gott reden können oder wie wir die Bibel lesen sollten!
- Kapitel 3: Erkenntnisgewinn – Wahrheitsfindung in neuen Worten und Formulierungen
- Kapitel 4: Ist die Bibel Gottes Wort? Gotteswort in Menschenwort
- Kapitel 5: Wie wir die Sintfluterzählung heute verstehen sollten
- Kapitel 6: Das Metakriterium Liebe und die Bedeutung von Kontextualisierung bei ethischen Fragen
- Kapitel 7: Bedeutung von „Gemeinschaften“, um weiter zu glauben
- Kapitel 8: Der Fromme der Zukunft wird
Mystiker sein - Kapitel 9: Wie geht es in der Zukunft mit der Christenheit weiter?
2. Allgemeine Stärken und Schwächen von „Weiterglauben“
- Das Buch ist anspruchsvoll. Das kann man so oder so sehen 😉 Ich glaube man sollte mindestens Abitur haben und bereit sein, viel Denkarbeit zu investieren, wenn man nicht blind übernehmen will, was der Autor sagt. Ein klarer Negativpunkt ist aber, dass die Bibelauslegung die Dietz vertritt, nur Intellektuelle umsetzen können.
- „Weiterglauben“ enthält berechtigte Kritik! Vor allem bibeltreu denkende Christen (wie ich) werden kritisiert (z.B. Fehltentwicklungen im Fundamentalismus S. 29-30). Manche Kritik davon muss sich mein Lager gefallen lassen.
- Die größte Stärke des Buches sehe ich bei der Analyse und Zusammenfassung von Entwicklungen.
- „Weiterglauben“ ist nicht mit einem systematischen Lehrbuch zu verwechseln. Die Entwicklung der Gedankengänge erfolgt nicht biblisch-theologisch, sondern willkürlich. Dietz greift häufig bestimmte Persönlichkeiten wie C.S. Lewis oder Luther auf, um seine Meinung zu entfalten.
3. Meine Bewertung von „Weiterglauben“
Wenn ich die Zeit dazu hätte, würde ich gerne zu jedem Kapitel eine Entgegnung und eine Bewertung schreiben. Doch das ist aktuell nicht drin. Die Bewertung kann sich nur auf das ganze Buch beziehen:
Das Buch lädt die Menschen meines Erachtens nicht ein, weiter an Gott zu glauben, wie er sich offenbart hat, sondern ermutigt sie sich in der vermeintlichen Weite einen eigenen Gott zu basteln, wie er mir gefällt. Das Anliegen des Buches wird verfehlt!
Anstatt das Evangelium und Jüngerschaft fundiert darzulegen und das Vertrauen in Gottes Wort zu stärken, geschieht das Gegenteil. Die grundlegenden Kapitel drei bis vier wollen den Leser davon abbringen, die Bibel als offenbarte Wahrheit Gottes zu verstehen.
„Von Gott reden können wir gar nicht anders als metaphorisch, also zeichenhaft, symbolisch, vermittelt über Bilder und Geschichten.“ S. 47.
Damit können wir gar nicht mehr über objektive Wahrheiten sprechen:
„Alles, was wir sagen, müssen wir immer aufheben in Richtung auf das Geheimnis Gottes, das er selbst ist.“ S. 50.
Die Glaubensväter und Geschwister der letzten Jahrtausende werden im vorbeigehen disqualifiziert:
„An dieser Stelle möchte ich einen Schritt weitergehen. Es mag
stimmen, dass die große Mehrheit der Christen in Geschichte
und Gegenwart naiv geglaubt hat bzw. glaubt, oft ohne Bewusstsein für den bildlich-indirekten Charakter der eigenen Gedanken über Gott.“ S. 49.
Der ganze Ansatz, der sich durch das Buch durchzieht, widerspricht dem Grundverständnis des christlichen Glaubens von der Offenbarung Gottes, dem Selbstzeugnis der Heiligen Schrift und der Lehre von der Klarheit der Schrift…
Ich stimme Dietz darin zu, dass Wahrheitsfindung zentral auch mit dem Einlassen auf Begegnung, Entwicklung, Veränderung und Praxis zu tun hat (S. 65). Aber dies geschieht m. E. anhand des Reibens an der offenbarten Wahrheit und nicht mit der Bibel als Sprungbrett!
Bei Dietz läuft es darauf hinaus, dass der Mensch als letzte Instanz seine eigenen Wahrheiten aus der Bibel wählt. Ein gravierender Kritikpunkt ist die Wissenschaftshörigkeit. Der Gedankengang ist in manchen Kapiteln folgender:
- In der Bibel steht die Aussage A (z.B. die Historizität von Adam und Eva).
- Wissenschaftler können A nicht belegen, sondern es spricht alles für Aussage B.
- Also muss A laut Dietz anders verstanden werden (nicht so wie es Jahrtausende verstanden wurde). Dabei ist es egal, dass selbst Jesus (der die Wahrheit ist) A vertrat. Wir reduzieren die Aussagen von A auf die Inhalte, die uns passen.
Unsere heutige säkulare Wissenschaft wird nicht hinterfragt, sondern Gottes Wort. Andersdenkende Wissenschaftler gibt es nicht? Unsere heutige Wissenschaft kann nicht irren? Es wurden noch nie sichere Ansichten aufgrund von neuer Erkenntnisse völlig umgeworfen?
Ein anderer Kritikpunkt ist die Verschleierung der Abwendung von zentralen christlichen Glaubensinhalten und Absichten.
Bei der Freischwimmer-Debatte rund um Thorsten Hebel wird verschwiegen, dass er sich von zentralen Glaubensinhalten distanziert hat. Dietz redet immer nur von veränderten Glaubensformen, während fast alle, die „Evangelikalien“ verlassen, sich auch von zentralen christlichen Lehren (z.B. Aussagen aus dem Apostolikum) verabschieden.
Nicht zuletzt möchte ich vor dem im Buch beworbenen Weg des Mystizismus warnen. Geistliche Übungen sind wertvoll, wenn sie nicht den Weg der Besonnenheit verlassen. Wer das Glaubensfundament der Propheten und Apostel verlässt, wird im Treibsand von Subjektivität und Verführung untergehen.
Zum Schluss: Es geht mir nicht um verletzte Gefühle – Dietz schreibt:
„Gleichzeitig sind bei mir auch eine Reihe von Rückmeldungen angekommen von Christen, die sich durch diese Impulse verunsichert fühlen, teilweise auch verletzt und verärgert.“
Es geht um die Frage, ob in diesem Buch Irrwege vertreten werden, die nicht zu Gott führen. Ich bin mir sicher, dass diese Art Hermeneutik und eine Abwendung von zentralen Glaubensinhalten dazu gehören.
Thorsten Dietz
Weiterglauben
Warum man einen großen Gott nicht klein denken kann
Brendow Verlag
Hallo Viktor!
Danke für diese Rezension! Solche Bücher können für Geschwister, die im Glauben noch nicht gefestigt sind wirklich Gift sein! Es ist traurig, dass an einer evangelischen Hochschule Professoren lehren dürfen, die sowas glauben!
Hat mir gefallen (leider) die Rezension. Der Blog ist interessant!
„leider “ weil man sich wünscht, das sowas wie das Buch von Dietz nicht passiert